Viel mehr als Sexualethik

Titel: Vertrautheit wagen! Gemeindebau hautnah. Und wie die Kirche sexuelle Vielfalt biblisch integrieren kann.

Autor/in: Ed Shaw

ISBN: 9783038481485

Wertung: 5 Sterne

Auf dem ersten Blick scheinbar ein autobiographischer Bericht eines Pastors mit homosexuellen Gefühlen, verblüfft dieses Buch mit unerwarteten, tiefen Erkenntnissen über Nachfolge und Gemeinschaft.

Der Autor, Ed Shaw, leidet sehr darunter, dass er niemals in einer sexuellen Partnerschaft leben wird. Er fühlt sich nur zu Männern hingezogen, aber für ihn sind die Aussagen der Bibel über Homosexualität klar. Seine Gewissheit, dass ausgelebte Homosexualität nicht Gottes Willen entspricht, hat er nicht nur wegen den bekannten Bibelstellen über Homosexualität, z.B. im Römerbrief oder im Alten Testament. Die Erschaffung des Menschen als Mann und Frau, als zwei unterschiedliche Geschlechter, ist für ihn ein Hinweis darauf, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht zu Gottes Plan für die Menschheit gehören. Für den Autor spielt auch die Tradition der Christenheit eine Rolle, denn lange stand für Christen fest, dass die Bibel mit ihrem Verbot homosexueller Praktiken tatsächlich das meint.

Warum wird das heutzutage in Frage gestellt? Ed Shaw schreibt, „Nicht die Theologie, sondern Menschen scheinen die Antriebskraft hinter der Ablehnung der traditionellen christlichen Ethik zu sein.“ Die Bibel hat sich nicht geändert, sondern die gesellschaftliche Wirklichkeit prägt unser Verständnis des Texts. Ed Shaw schreibt über das Anliegen seines Buchs, „Wir müssen das, was die Bibel klar verlangt, einfach wieder plausibel machen.“ Unsere Wertmaßstäbe heute führen dazu, dass wir uns nicht vorstellen können, wieso ein Mensch mit homoerotischen Gefühlen seine Sexualität nicht ausleben sollte. Und das trifft auch auf Menschen in Kirchen und Gemeinden zu.

Wenn Christen heute denken, eine homosexuelle Partnerschaft ist in Gottes Augen in Ordnung, dann liegt es an falschen Vorstellungen, die unseren Glauben prägen. Der Autor geht auf neun wichtige Fehlannahmen ein.

– Deine Identität ist deine Sexualität.
– Eine Familie ist Vater, Mutter und zwei Komma vier Kinder.
– Wenn du schwul geboren wurdest, kann es nicht falsch sein, schwul zu sein.
– Wenn es dich glücklich macht, muss es richtig sein.
– Echte Intimität findet man nur im Sex.
– Männer und Frauen sind gleich und austauschbar.
– Gottgefälligkeit ist Heterosexualität.
– Der Zölibat tut dir nicht gut – und muss vermieden werden!
– Leiden sind weiträumig zu umgehen – es geht nur um Glück!

Die Ausführungen rütteln auf, und fordern zu einem anderen Lebensstil heraus. Der Leser spürt, wir haben uns dran gewöhnt, uns mit einem halbherzigen Christsein zufriedenzugeben.
„Unser christliches Leben steht in Kontinuität zu unserem vorherigen Leben – mit einer dünnen christlichen Glasur: Wir sind zu ein paar Menschen etwas netter. Die Kreuze, die wir tragen, sind die kleinen Unannehmlichkeiten, von denen wir uns noch nicht befreien konnten (ein schmerzendes Knie, unsere Schwiegermutter, die uns immer reinredet; ein schlechter Chef auf der Arbeit. Uns fehlt jegliches bedeutsame Leiden, das wir absichtlich auf uns nehmen, weil wir Jesus nachfolgen und wollen, dass auch andere ihm folgen.“

Wegen unserem fehlerhaften Bild von Nachfolge, bei dem unsere Bequemlichkeit und die Erfüllung unserer Bedürfnisse eine wichtige Rolle spielen, scheint es uns nicht plausibel, von einem homosexuell empfindenden Menschen Verzicht zu verlangen. Aber ist unsere Vorstellung von Verzicht wirklich biblisch? Ed Shaw schreibt, „Also geben wir ab, worauf wir verzichten können, aber erst, nachdem wir alles bezahlt haben, was wir nicht mehr als Luxus ansehen: das dritte Paar Schuhe, das neuste Mobiltelefon, den Urlaub in fremden Ländern, die Schulgebühren an der Schule mit den Weltklasse-Einrichtungen, die Pension, die sicherstellt, dass wir unseren Lebensstil bis zum Tod halten können.“
Ed Shaw sehnt sich nach Menschen und Gemeinden, die den Glauben so leben, dass Verzicht etwas Selbstverständliches wird. Er wünscht sich tiefere Beziehungen unter Christen, wie die ersten Jesus-Nachfolger sie gelebt haben, damit Menschen, die auf Ehe verzichten, in ihrer Gemeindefamilie ein Zuhause finden.

Jesus hat seinen Nachfolgern ein Leben in Überfluss versprochen. Diese Fülle findet sich nicht in der Erfüllung unserer Wünsche. Sie findet sich da, wo Gott an erster Stelle steht.
Und dieser Weg kann sehr schwer sein, das weiß Ed Shaw aus eigener Erfahrung. Er schreibt offen über die traurigen Momente in seinem Leben, in denen er sich verzweifelt nach Partnerschaft und Familie sehnt. Aber trotz seiner Traurigkeit steht für ihn fest, dass er sich für den besseren Weg entschieden hat.
Dieses Buch sollte jeder lesen, der Jesus wirklich nachfolgen will. Das Thema Homosexualität ist bei weitem nicht das Einzige, was dieses Buch lesenswert macht. Gut durchdacht, präzise, und mit wenigen Worten, macht der Autor sein Anliegen klar. Dabei wird der Leser mit „du“ angesprochen, und die Auseinandersetzung mit dem Thema fühlt sich wie ein Gespräch unter Freunden an.

Fazit: Mit einem unscheinbaren Cover, hat dieses Buch einen explosiven Inhalt, der in unserer heutigen Zeit gehört werden muss. Wer könnte besser über das Thema Homosexualität und Christsein schreiben, als ein homosexuell empfindender Pastor? Aber dieses Buch ist so viel mehr, denn der Leser spürt die tiefe Gottesbeziehung des Autors und seinen ansteckenden Wunsch, dass der gelebte Glaube Gestalt in unserem Alltag annimmt. Absolut empfehlenswert!