Die Grausamkeit des Kriegs

Titel: Roter Herbst in Chortitza

Autor/in: Tim Tichatzki

ISBN: 9783765509889

Wertung: 4 Sterne

Willi wächst in der Ukraine auf, in dem idyllischen Ort Osterwick. Vor langer Zeit fanden die mennonitischen Bewohner des Orts hier Zuflucht, und ihr tiefer Glaube prägt nun das Zusammenleben.

Der Ukrainer Maxim und sein Vater finden bei der mennonitischen Familie Berger Zuflucht. Ihre Familie wurde von Tschekisten, sowjetische Geheimpolizisten, auseinandergerissen und die anderen Familienmitglieder wurden verschleppt.

Die fast gleichaltrigen Jungen, Willi und Maxim, werden Freunde. Miteinander erleben sie wie die Idylle des Dorfs im Bürgerkrieg immer mehr zerbricht. Gewalt und Hunger sind an der Tagesordnung. Als Maxims Vater die Mutter von Willi verteidigt, kommt er ums Leben. Daraufhin verlässt der noch junge Maxim das Dorf.

Beide Jungen erleben die folgenden, bewegten Jahre der Sowjetunion ganz unterschiedlich. Willi bleibt zunächst im Dorf. Er heiratet und gründet eine Familie. Aber es gibt nur kurze Zeiten des Friedens. Nach dem Bürgerkrieg herrscht der Hunger. Die Bauern werden mit List und Tücke enteignet, die Kirche außer Betrieb gesetzt.

Dann bricht der zweite Weltkrieg herein, und die deutschstämmigen Mennoniten stehen zwischen den Fronten. Zu ihren Überzeugungen gehört Gewaltlosigkeit, aber angesichts ihrer misslichen Lage, fragen sie sich immer wieder ob sie sich zumindest wehren dürfen.

Zuletzt findet Willi mit seiner Familie in Thüringen Zuflucht, aber im Zuge der Repatriierung werden sie nach Sibirien verschleppt, wo sie viele Jahre trotz starker Entbehrungen und verzweifeltem Hunger arbeiten müssen.

Maxim macht im Sowjetregime Karriere. Bewegte ihn anfangs der Wunsch in seiner Position für Gerechtigkeit einzustehen, muss er mehr und mehr von seinen Träumen abrücken, denn ihm wird klar, entweder gehorcht er, oder er verliert sein Leben. Es dauert nicht lange, und er ist nicht mehr als ein Werkzeug des Staats.

Anhand von diesen beiden Lebensläufen erfährt der Leser in dieser spannenden Lektüre viel aus der grausamen Geschichte der Sowjetunion. Willi und seine Familie wachsen dem Leser ans Herz, aber beim Lesen kann man auch nachvollziehen warum Maxim seinen Lebensweg wählt. Die Grausamkeit der Staatspolizei und die schrecklichen Folgen des Hungers werden vor Augen gemalt. Bei Willi und den anderen Mennoniten taucht immer wieder die Frage auf, wo Gott in diesem schrecklichen Geschehen bleibt. Bis zum Schluss hält Willis Familie am Glauben fest, aber in der Geschichte überwiegt die Hoffnungslosigkeit.

Ein spannendes Buch, das auf eine wahre Lebensgeschichte beruht. Schade, dass die Hoffnungslosigkeit überwiegt. Aber es werden auch schreckliche Jahre in der Geschichte der Sowjetunion beschrieben.