Die Frauen, die sich an den Wochentagen zum gemeinsamen Nähen treffen, erwarten mich bereits. Da ich gerne stricke, habe ich angeboten diesen Frauen das Stricken beizubringen. Ich bin aufgeregt, denn ich bin ein ziemlich schüchterner und zurückhaltender Mensch. Ich zögere meinen ungewohnten Einsatz als Handarbeits-Lehrerin noch ein bisschen hinaus, denn die gespendete Kleidung muss nach Altersgruppen sortiert werden. Aber dann ist es soweit, und ich betrete den Container der Nähschule.
Etwa zehn Frauen sitzen an mehreren großen Tischen. Sie sehen mich alle fröhlich an, und räumen schnell ihre Nähsachen weg. Der kleine Raum ist vollgestellt. Neben einigen alten Nähmaschinen sind die Wände von Schränken und Stoffen gesäumt. An den Schränken hängen fertig genähte Kleider, Kissen und Decken.
Der junge Mann, der beim Übersetzen helfen bleibt nur kurz. Er wird an anderer Stelle benötigt. Nun versuche ich schon seit Jahren Arabisch zu lernen, aber richtig sprechen kann ich trotzdem nicht. Ich kenne einige Wörter, aber meistens reicht mein Vokabular nicht aus, um einen sinnvollen Satz zu bilden. Und bei allen Versuchen diese schwierige Sprache zu lernen, bin ich Begriffen wie Maschenanschlag, Stricknadel oder rechte Maschen nie begegnet.
Ich breite die mitgebrachte Wolle und Stricknadeln aus und die Frauen bedienen sich. Einige der Frauen sind in meinem Alter, andere sind noch jung. Einige der älteren Frauen können schon stricken. Sie haben es von ihren Müttern gelernt, vor langer Zeit in ihrer syrischen Heimat. Die anderen sind eifrig bemüht diese neue Kunst zu lernen.
Ich versuche zu erfragen, was sie stricken möchten. Einen Pullover möchte die Frau stricken, für die selbst der Maschenanschlag neu ist. Eine andere möchte Socken stricken. Gut, vielleicht ist es besser einfach mit einem Schal oder einer Mütze anzufangen.
Wir legen los. Die paar Worte Arabisch, die ich kann, reichen weiter als erwartet, und eine Frau hat durch das Anschauen von Videos im Internet ein bisschen Englisch aufgeschnappt. Das ist unsere Verständigungsgrundlage.
Die Wenigen, die schon stricken können, freuen sich über die Wolle und schlagen an. Den anderen zeige ich wie es geht, und führe ihnen nach und nach die Hände, bis sie den Anschlag selbst begreifen. Dabei fällt mir vor allem bei einer Frau auf, wie kalt und rau ihre Hände sind. Ich frage mich, was diese Frauen alles schon erlebt und mitgemacht haben.
Unsere Sprachlosigkeit stellt sich nach einer schwierigen Anfangszeit als Segen heraus. Ich frage oder deute an, welches arabische Wort ich gerade brauche, z.B. stricken, Nadel, Faden oder Masche. Die Frauen wiederholen geduldig die gewünschten Vokabeln, und schmunzeln über meine Versuche die ungewohnten Wörter auszusprechen. Es gibt ja im Arabischen verschiedene H-Laute. So wird in meinem Mund, ohne dass ich es merke, aus dem neuen Wort schnell ein ganz anderes. Und natürlich vergesse ich die neugelernten Wörter schnell, und muss immer wieder nachfragen.
Die Frauen haben immer mehr Spaß an meinen vergeblichen Versuchen ihre Sprache zu lernen. Und so werden wir schnell zu Freundinnen, denn ich bin nicht mehr die Weiße, die kommt um ihnen etwas beizubringen. Ich bin, wie sie, eine Lernende. Das schafft Vertrautheit.
Die beiden Vormittage vergehen viel zu schnell, und wir genießen einfach das gemeinsame Stricken. Was uns verbindet ist viel größer als das, was uns trennt. Ich freue mich darauf zurückzukommen, und hoffe, dass dann die Zeit reicht um gemeinsam Pullover und Socken zu stricken.
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